Gerald-Brauner-Geson

 

Geri Brauner-Geson ist nicht mehr. Die 70 wollte erreichen, mehr nicht. Das hat er geschafft.

Was war das für eine Type! Die Garage am Ende des Parkplatzes 
der KÖLSCHE ART, einem Kneipenrestaurant in Köln, 
war sein Refugium. Seine Burg.

Sein Staat. Er war der Präsident, Diktator und Scharfrichter. Banausen wurden nicht geduldet. Der kleinste Anflug einer Ahnungslosigkeit trieb ihm den Zorn ins zerfurchte Gesicht. Da stand er dann vor einem, das obligatorische Glas Rotwein in der Hand und erzählte ausschweifend aus seinem Leben, immer in dem Bewustsein, es noch besser machen zu können. Wir, die Stammgäste der KÖLSCHE ART, machten manchmal ganz bewust einen großen Bogen, wenn er düster am Eingang stand. Nicht, weil wir ihn nicht mochten, nein, wir kannten alle Geschichten von ihm, trotzdem war es unmöglich sich an alles zu erinnern. War er nicht auch Großwildjäger in Madagaskar? Oder Schatzsucher in Sibirien? Seine Leben war so erfüllt und unerfüllt, so furchtlos und so furchtbar, so laut und so leise.

 

 


Er sprach viel von der Vergangenheit, aber die Gegenwart war allgegenwärtig. 
Und so werkelte er in seiner Garage an den unterschiedlichsten Sachen. Zeichnete, hämmerte, bohrte, fügte die wahnwitzigsten Dinge zu Collagen aneinander, gestaltete das Abendmahl neu und manchmal, ganz selten, lächelte er. Dann war er zufrieden.

Mit seiner Kunst, mit sich und mit uns. Wenn man sich Geri's künstlerisches Lebenswerk betrachtet stellt man fest: Ja, da war einer, der hat sich verausgabt. Bei allem. Auch beim leben. Das Leben endet, aber die Kunst bleibt. Nur das Garagentor ist zu.

Und Geri's künstlerisches Vermächtnis bleibt für alle offen.

Und das macht einen traurig.

 

Biographie

“Nichts hat das Leben ohne große Mühe den Sterblichen gewährt.” (Horaz)

Was verbirgt sich hinter der scheinbaren Einfachheit seiner Werke?

Seine Kunst spiegelt seine tiefsten inneren Konflikte wider, und legt seine Seele bloß. Themen wie Verlust, Schmerzen, Leidenschaften, Sehnsucht und die Suche nach Identität ziehen sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk. Jedes Mal, wenn Geri Brauner-Géson ein Werk geschaffen hatte, hat er sich selbst besiegt, er hatte gewonnen.

“Was ich verarbeitet habe, hängt an der Wand oder steht auf einem Sockel. (…) Es ist aus mir heraus!” sagte er, „und beginnen ihr eigenes Leben“. Seine Werke provozieren den Betrachter zum Nachdenken, und fordern eine aktive Auseinandersetzung heraus. Deswegen sein Wunsch, man möge als Betrachter seine Person von seinen Werken trennen. Dabei ging es ihm nicht um das von einigen Künstlern so gepflegte Mysterium ihrer Person, sondern um das fertige Werk, das auch ohne seinen Schöpfer lebt.

“Es wäre gut, sagte er, wenn Kunstkritiker einen Künstler gar nicht persönlich kennen. Sie würden das, was sie sehen nur mit ihren Vorstellungen von Kunst und nicht mit ihren Vorstellungen vom Künstler in Verbindung bringen. Das empfand er als respektabel.”

(Trotzdem lohnte es sich, ihn kennenzulernen und etwas über sein Leben zu erfahren.)

Er war ein unersättlicher Seher, der die Welt mit wachen Augen beobachtete, stets bestrebt, die Welt um sich herum zu erkunden und künstlerisch zu interpretieren. Er betonte die Bedeutung des Austauschs unter Künstlern und kritisierte die zunehmende Tendenz zur Isolation. 'Es ist eine Schande', so äußerte er sich einmal, 'dass immer mehr Künstler nur noch für sich sein wollen und sich damit jeder gegenseitigen Inspiration verweigern.

 

“Seine Kunst zu erklären, ist der größte Fehler, den ein Künstler machen kann. Aber man kann lernen, Kunst zu sehen.” Darin liegt auch einer der Gründe, warum viele Bilder und Skizzen keine Titel haben. “Ein Titel ist schon so etwas wie eine Erklärung. Ich will aber niemandem vorschreiben, was er zu sehen hat. Natürlich haben alle Bilder Namen. Aber sie drücken nur aus, was ich sehe. Nicht was andere vielleicht sehen.” Und deswegen erklärt Geri Brauner-Géson nicht, sondern erzählt etwas über seine Kunst und auch ein bisschen über sich.

Wer sammelt Geri Brauner-Géson?

Hinsichtlich Geschlecht, Alter oder Berufsstand sah er keine Unterschiede. “Mein Eindruck ist, die Leute, die mich sammeln, sind nachdenkliche Menschen. Sie scheinen positiv im Leben zu stehen – in einer fortwährend fragenden Phase. (…) Immer fragend, immer wissen wollend. Ich verstehe Menschen nicht, die nicht fragen und ich mag Menschen nicht, die sich nicht informieren wollen.” Und: “Ich glaube, unter denen, die mich sammeln, sind Menschen, die das Bild vorziehen, aber dann doch den teuren Wagen kaufen, in dem sie gekommen sind.” Das war keine Wertung, sondern eine Beobachtung. Es motivierte und freute ihn sichtlich, wenn Menschen seine Werke sahen und darin, für sich, etwas suchten. Egal, ob Kritiker, Mäzene, Sammler oder einfach nur Besucher seiner Ausstellungen. Kann man die künstlerische Entwicklung eines so vielseitigen Künstlers in Schubladen stecken?Ja, aber er zögerte bei der Frage – er vermutete Schubladen-Denken, wo keines war. “Meine Kunst, meine Ideen sind abhängig vom Alltäglichen, von Stimmungen, von Frauen, von Lebensumständen.” sagte er. Dennoch akzeptierte er darüber hinaus eine grobe Einteilung seines Schaffens in Bezug zu seinem beruflichen Lebensweg.

 

Seine künstlerische Laufbahn begann in den frühen 1960er Jahren. Neben seinem Studium der Musik widmete er sich intensiv der bildenden Kunst. Beeinflusst von den expressiven Tendenzen der damaligen Zeit, schuf er in dieser Phase oft abstrakte Werke, die durch eine dynamische Formensprache und eine intensive Farbpalette gekennzeichnet waren. Seine Teilnahme an der Olympiade in Rom als Schwimmer hatte einen prägenden Einfluss auf seine spätere künstlerische Arbeit, der sich in seinen Werken durch eine starke körperliche Präsenz und Bewegung ausdrückt. Seine frühen Werke sind geprägt von einer expressiven Farbigkeit und dynamischen Formensprache.

Er sagte “Ich habe einfach nicht das nötige Gehör für ein klassisches Orchester – und begab mich mit Leidenschaft in das Trauma, ein Künstler zu sein, ich konnte nichts anderes.”

Eine weitere Phase lässt sich bis in die frühen 70er Jahre erkennen, in der er mit der Verarbeitung von Kunststoff begann. Seine Zeit als Designer in München (1970 – 1988) betrachtete er zwiespältig. “Es war Leben – volles Rohr! 16 Stunden und mehr am Tag gearbeitet, fast alle Kontinente dieser Welt besucht – und am Ende natürlich auch dafür gezahlt.”

Aus gesundheitlichen Gründen verließ Geri Brauner-Géson 1988 Designfirma und München, um sich in Spanien niederzulassen, in Fuerteventura mietete er ein Haus und lebte abwechselnd dort, in Madrid und Sevilla. Nach drei Jahren kehrte er zurück und lebte bis zu seinem Tod in Köln.

Spanien hatte ihn nachhaltig beeinflusst, die Menschen, der Stierkampf – aber auf die Frage nach der Veränderung in seinem künstlerischen Schaffen kam ohne Zögern: “Das intensive Sonnenlicht Spaniens inspirierte ihn zu einer neuen Farbpalette und ermöglichte ihm eine andere Art des Malens. Es war wie ein Auslöser, ein Trigger für Neues. Ich habe dort Bilder geschaffen, die mir hier nicht möglich gewesen wären. Das Licht bestimmt die Farbe. Anderes Licht verändert Farbe.”

 

Auch wenn Geri Brauner-Géson sich mehr als Zeichner denn als Maler sah, fühlte er sich den verschiedensten Techniken verbunden. Tusche, Bleistift, Filz- oder Buntstift, Kugelschreiber, Ölkreide, Ölfarbe, Acryl, Radierungen, Collagen, auf Papier oder Leinwand – festlegen mochte er sich nie. Nur Aquarellfarben gehörten nicht zu seinen bevorzugten Arbeitsmaterialien.

Seine Plastiken sind oft durch eine Kombination aus traditionellen Materialien wie Bronze, Blei, Alabaster, Holz und modernen Werkstoffen wie Kunststoff gekennzeichnet. Er experimentierte gerne mit verschiedenen Oberflächenstrukturen und Farben. Neben neuen Ideen und Projekten beschäftigte er sich zum Ende seines Schaffens häufiger als früher mit einigen seiner älteren Werke. Es sei legitim, sagte er, Werke weiterzuführen, zu verändern, anzupassen – damit sich auch für den Betrachter neue Ebenen erschließen. Allerdings lag für ihn die Inspiration dazu nicht in den jeweiligen Werken. Das wäre dann nichts anderes als ein Remake. Wiederholungen seien unmöglich und enden immer in einem Debakel. “Ich halte nichts von Künstlern, die sich ständig nur wiederholen.” Geri Brauner-Géson bewegte sich mühelos zwischen den Polen von Abstraktion und Figuration, von Malerei und Plastik.

Allen Phasen war gemeinsam die fortwährend angestrebte Perfektion von Herstellungs- und Verarbeitungstechniken und fast entschuldigend fügte er beim Blick auf eine seiner Skulpturen hinzu: “Früher konnte man Bronze gießen – 2 mm dünn. Das geht heute nicht mehr.” Handwerkliche Kunst hatte ihn immer fasziniert und Plattner-Kunst – die mittelalterliche Kunst der Herstellung leichter Rüstungen (z. B. Harnische) – inspirierte ihn bis zum Schluss. In Köln begann sein “Spätwerk”. Was meinte er damit? Er sagte, er sei “im Übergang zum Feigling.” Er traute sich manchmal nicht mehr zu schaffen, was er dachte.

“Als Francis Bacon nicht mehr mit der Neuschöpfung seines Menschen weiter konnte, zerstörte er seine Bilder. Mutig und traurig für die Nachwelt. (…)

Aber er wollte mit seinem Spätwerk etwas hinterlassen – “ein wenig Ärger vielleicht” schmunzelte er “ja, das würde mich freuen, wenn ich mal abtrete. Doch bis dahin steht für mich fest - ich bin noch nicht fertig!”.

Geri Brauner-Géson, geboren 1939 in Wien und verstorben 2012 in Köln, war ein vielseitiger Künstler, dessen Werk von einer tiefen Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich und der Welt geprägt ist. Seine künstlerische Reise führte ihn von der Musik über die Bildende Kunst bis hin zum Design.

Brauner-Gésons Kunst ist ein Spiegel seiner Seele. Seine Werke, oft geprägt von starken Emotionen und einer Suche nach Identität, laden den Betrachter ein, eigene Interpretationen zu finden. Der Künstler selbst betonte die Autonomie seiner Werke und die Bedeutung der persönlichen Auseinandersetzung des Betrachters mit ihnen.

Seine künstlerische Entwicklung war geprägt von verschiedenen Einflüssen, darunter die expressive Kunst der 1960er Jahre und seine persönliche Erfahrung als Leistungsschwimmer. Auch seine Zeit als Designer in München und sein späterer Aufenthalt in Spanien hinterließen deutliche Spuren in seinem Werk.

Brauner-Gésons Kunst ist von einer großen Vielfalt geprägt. Er experimentierte mit verschiedenen Materialien und Techniken und bewegte sich mühelos zwischen Abstraktion und Figuration. Trotz seiner Vielseitigkeit war ihm die Perfektion in der Ausführung seiner Werke stets wichtig.

Kommentar

Gerald Brauner Gezon war nicht nur Künstler, sondern auch Chronist seiner Zeit. Obwohl er nicht mehr unter uns ist, lebt sein Werk weiter und erinnert uns an die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts. Ob in seinen abstrakten frühen Arbeiten, die die Dynamik der 60er Jahre einfangen, oder in seinen späteren Werken, die von den Erfahrungen in Spanien geprägt sind – immer wieder gelingt es ihm, das Zeitgeschehen auf eine ganz persönliche und eindringliche Weise zu interpretieren.

Seine Kunst ist mehr als nur ästhetisch ansprechend, sie ist ein Spiegel unserer Geschichte.

Die Suche nach der eigenen Identität ist ein zentrales Thema in Gerald Brauner Gezons Werk.

Die Suche nach der eigenen Identität ist ein zentrales Thema in Gerald Brauner Gezons Werk. In seinen oft autobiografisch geprägten Arbeiten spürt man seine Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Das Thema Tod und Verfall taucht in vielen seiner Werke auf, wie zum Beispiel in seinen späteren Skulpturen, die oft von einer gewissen Melancholie geprägt sind. 

Die Vergänglichkeit des Lebens ist für ihn ein ständiger Begleiter, der ihn aber gleichzeitig zu neuen künstlerischen Höhen antrieb. In einem seiner Interviews sagte er einmal: "Der Tod ist ein Teil des Lebens, und als Künstler muss man sich damit auseinandersetzen." Seine Kunst lädt den Betrachter ein, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und eigene Antworten zu finden.

Brauner Gezons Kunst ist geprägt von einer großen Experimentierfreude. Er hat sich nicht auf eine bestimmte Technik oder ein bestimmtes Material festgelegt, sondern ist immer wieder neue Wege gegangen. 
Ob er mit Bronze, Holz oder Kunststoff gearbeitet hat, seine Werke zeichnen sich durch eine hohe Präzision und eine einzigartige Ästhetik aus. Er verwandelte alltägliche Materialien in Kunstwerke von großer Schönheit und Tiefe. Seine Fähigkeit, aus scheinbar einfachen Mitteln komplexe und vielschichtige Werke zu schaffen, ist beeindruckend.

Ingo Zang

© 2025. Edition Filzengraben. 

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